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Willkommen in der Ex-Sowjetunion!

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6.12.2003 aus Tiflis, Georgien - 5677km

Liebe Leute!

Es war echt kalt waehrend der Fahrt ueber die Hochebene rund um Erzurum (Osttuerkei). Es lag fast ueberall Schnee. Nach einer letzten eisigen Nacht auf ueber 2000m freute ich mich riesig auf die Abfahrt! Die Route fuehrte waehrend ueber 200km durch eine atemberaubende Schlucht. Manchmal so eng, dass die Strasse in den Fels gehauen wurde. Immer wieder sah ich frisch runter gefallene Felsbrocken von jeder erdenklichen Groesse auf der Strasse. Die Felswaende tuermten sich hunderte von Metern hoch. Das Beste war aber die Waerme! Auf 500m hatte ich das Gefuehl der Sommer sei angebrochen: An Stelle von unter –10 Grad war es nun ueber 10 Grad Celsius in der Nacht!
Angekommen an der Schwarzmeerkueste machte ich mich auf Richtung Georgien. Ich hatte gemischte Gefuehle. Wenige Tage zuvor wurde der Staatspraesident unblutig gestuerzt, die Lage schien aber nun ruhig zu sein. Zum Glueck hatte ich immer guten Empfang mit meinem Zuendholzschachtel-Radio. BBC Worldservice scheint in jede Ecke der Welt zu dringen. Waehrend den ersten Pedaltritten in der Ex-Sowjetrepublik versuchte ich alles in mich hineinzusaugen: die Landschaft, die Menschen, … Die Tuerkei schien mir ploetzlich so unglaublich reich zu sein! In Georgien leben mehr als die Haelfte der Menschen unter der Armutsgrenze.

Das Eis war bald gebrochen. Nach der Durchfahrt der Hafenstadt Batumi wurde ich von einem Mandarinenverkaeufer herzhaft umarmt und reich beschenkt. Doch irgendwie fuehlte ich mich nicht so ganz wohl mit der Polizei. Schon beim Grenzuebertritt machte ein Beamter einen (schuechternen) Versuch von mir Geld zu bekommen. Dann immer wieder Strassenblockaden, wo Maenner in zivil, dafuer mit Maschinengewehren den Verkehr kontrollierten. Manchmal mischen sich so Geheimdienstagenten (erkennbar an den immer gleichen 70er Sonnebrillen), Zollbeamten (gelbes Maentelchen) und normale Polizisten. Ich wurde immer gestoppt, mit aeusserst misstrauischer Mine ausgefragt und dann ‘entlassen’. Die Polizei scheint sich ausgiebig an der Bevoelkerung ‘zu bedienen’… Ein verlotterter Tanklaster wurde vor mir gestoppt, die Polizisten wechselten ein paar Worte und schon war das Plastikschlaeuchchen im Tank des Lasters um den Mercedes-Jeep der Polizisten gratis aufzutanken. Bei normalen Autos wird einfach ein fixer Betrag fuer die ‘Unkosten’ verlangt (sprich, dass sich die Polizei die Muehe genommen hat den Fahrer sinnlos anzuhalten…). Die Staatskasse sieht natuerlich nie etwas davon.

Kurz nach Sonnenuntergang am ersten Tag passierte ich gerade wieder eine Gruppe von Polizisten am Strassenrand und wurde natuerlich gestoppt. Ich war hungrig und muede von der Fahrt. Ein Polizist fragte mich nach dem Pass und dann spaeter nach dem Waehrungsformular. Waehrungsformular? Ich zoegere eine Sekunde… zu spaet. Seine gierigen Haende haben schon tief in meine Lenkertasche gegriffen.

Mit Muehe schaffe ich es, die paar Dollars und Lari im Auge zu behalten, die der Polizist gerade gefunden hat und theatralisch am zaehlen ist. Er verteilt die Noten auf der Motorhaube, die drei anderen Polizisten versuchen irgendwie mit doofen Fragen mich abzulenken. Wie gelaehmt versuche ich das Schlimmste zu verhindern. Am Ende ‘fehlen’ mir aber 5 USD und 30 Lari (15 USD)! Ich habe genau gesehen, wo der Polizist mein Geld in die Uniform gesteckt hat… nur erlaubt er mir nicht seine Taschen zu durchwuehlen. Jetzt nur weg! Ich bin stinksauer, dass ich mich habe austricksen lassen. Ich haette von anfang an gewusst, dass es ein Waehrungsformular gar nicht gibt in Georgien. Der Betrag war einfach zu verschmerzen, aber es nervte mich trotzdem. Das Allermeiste von meinem Reisegeld war natuerlich sicher versteckt, der Polizist hat nur ‘Kleingeld’ gefunden. Gestresst stelle ich mein Zelt irgendwie zwischen Eisenbahnlinie und Strand auf. Krampfhaft versuche ich mir zu ueberlegen, wie ich genau die restlichen 400km in Georgien ohne ‘Geldverlust’ durchbringen kann. Am naechsten Tag gehen dann die Kontrollen weiter. Doch ich schaffe es immer, dass mir die Polizisten nicht zu Nahe kommen. Ein paar waren sogar so sehr von meiner ‘Armut’ ueberzeugt, dass sie mir Geld geben wollten Die Lage bessert sich uebrigens Richtung Tiflis im Osten deutlich. Die Polizisten sind nicht mehr durchwegs uebergewichtig, tragen echte Polizeiuniform und stoppen Autos und Radfahrer nur gelegentlich. Was fuer eine Erleichterung!

Die Fahrt durch Georgien war fuer mich gepraegt von der wunderschoenen Landschaft: zwischen den Schneebergen des Kaukasus und den Auslauefern der anatolischen Gebirge zwaengen sich mittelalterliche Burgen und Kirchen. Die Menschen sind sehr herzhaft und ich wurde taeglich zu einem Trunk eingeladen. Zweimal bin ich so mehr schlecht als recht wieder aufs Rad gestiegen… irgendwie vertrage ich keinen Alkohol mehr. Die Georgier aber umso mehr davon! Der Trinkspruch heisst uebrigens ‘Gaumarchos’ und beendet eine lange Liste von damit gesegneten Laendern (Georgien, Schweiz), Personen (alle Umstehenden, die Familien) und natuerlich Gott. Dann wird das hoellisch Gebraeu mit einem Schluck runtergekippt. Zum grossen Vergnuegen aller schaffte ich dies natuerlich nie…

Nun bin ich hier in Tiflis, der Hauptstadt. Ich uebernachte in einem billigen Hotel, zuerst wurde mir aber anerboten im lokalen Hari Krishna Tempel zu uebernachten. Waere aber sicher lustig gewesen Ich habe aber hoeflich abgelehnt, da der Tempel 20km vom Stadtzentrum weg war Hier kann ich meinen derzeitigen Durchfall etwas auskurieren… war echt muehsam die letzten Tage auf dem Rad! Scheint aber nichts Ernsthaftes zu sein, jedenfalls geht es schon besser. Die Fahrt geht Morgen weiter nach Aserbaidschan und ans Kaspische Meer!

Liebe Gruesse aus Georgien!
Daniel

 

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